Interview von Alexander Smart, Unite the Union Officer

Alexander betreut für „Unite the Union“ den Industrielen Sektor in Edinburgh und Zentral Schottland. Er arbeitet mit Betriebsräten der petrochemischen und der chemischen Industrie zusammen. Diese Branchen sind gerade in Zeiten der Pandemie äußerst interessant, da sich hier sowohl Licht als auch Schatten findet. So gibt es Unternehmen in denen manche Bereiche profitiert haben aber zugleich manche Abteilungen schwer von der Pandemie betroffen waren.

Heute bekomme ich einen spannenden Einblick in diese Sektoren.

Alexander betreut unter anderen Unternehmen in Schottland auch den Chemiekonzern „INEOS“ einer der größten Arbeitgeber in Schottland. INEOS hat sich darauf spezialisiert aus Rohöl und Erdgas chemische Produkte für den Endverbraucher sowie Treibstoffe herzustellen.

Die Beziehungen der Gewerkschaften zur Betriebsleitung waren nicht immer reibungslos. Die Diskrepanzen gipfelten darin, dass einige Betriebsräte entlassen wurden. Mit der Belegschaft, der Hilfe der Gewerkschafter und großem Medialen Aufwand, konnte eine Lösung zur Zufriedenheit beider Parteien erkämpft werden. Jedoch blieb ein Jahre langes misstrauen vorhanden. Laut Alexander ist man aber seit 4-5 Jahren wieder im Aufbau eines Vertrauensverhältnisses.

https://www.theguardian.com/politics/2013/oct/28/grangemouth-unite-official-quits

https://www.unitetheunion.org/search/?searchTerm=ineos

Das vollständige Video gibt es hier: www.youtube.com/watch?v=XkdklrtAs4o

Pandemie – Licht und Schatten

In wohl keinem anderen Bereich als der Chemischen Industrie gibt es wohl so große Unterschiede zwischen Gewinnern und Verlierern in er Pandemie. Während man in der Petrochemie von den billigen Rohstoffpreisen profitierte war im Gegenzug ein Verkauf von Flugzeugtreibstoff so gut wie unmöglich. Der Bedarf an diesem sank um 95 % und wird auf lange Sicht auch so bleiben. Bei INEOS konnten die Arbeitsplätze in diesem Bereich erhalten bleiben, indem man die Produktion auf Handdesinfektionsmittel umgestellt hat.

Die Gewerkschaften waren bereits vom Beginn der Pandemie an in die Entscheidungsprozesse einbezogen und konnten in Punkto Arbeitssicherheit und Schutzmaßnahmen ihre Expertisen einbringen. So wurden Temperaturmessungen vor Arbeitsbeginn, Desinfektionsspender sowie ein neues 5-Schicht-System eingeführt das es erlaubte 2 Gruppen mit langen Freizeitblöcken getrennt voneinander zu arbeiten. Das System war so beliebt, dass die Geschäftsführung auf völliges Unverständnis traf als dieses wieder zurückgenommen wurde.

In Schottland ist Freizeit beliebter als das Geld.

Kollektivvertragsverhandlungen, die Pandemie und die Luftfahrt

Zu Beginn der Pandemie wurde auf Grund der unsicheren Lage die Verhandlungsrunde für Jänner bis April ausgesetzt. In den darauffolgenden Verhandlungen konnte ein kleines Plus über der Inflation. Für manche Mitarbeiter*Innen war dies aber zu wenig, da sie gerade in der Pandemie unter erschwerenden Bedingungen gute Arbeit geleistet haben..

„Wir sind Gewerkschafter und Betriebsräte wir kämpfen für mehr Lohn und natürlich könnte es immer mehr sein, aber im Zeichen der Pandemie, den größten Geschäftspartner mit derart großen Problemen zu sehen. Macht einen schon sehr nachdenklich.“

Alexander spricht hier die Luftfahrtindustrie an. Gerade in diesem Sektor geht seit über einem Jahr gar nichts. Die Schottische Regierung überwacht strengstens jeden Flug. In diesem Bereich verloren bisher 33% aller Arbeitnehmer*Innen ihren Job. Dies war nur die erste Welle. Sollten Flugreisen über die Sommermonate nicht möglich sein, wird es zu weiteren Kündigungen kommen.

Dunkle Wolken und schlechte Zukunftsprognosen um den Luftfahrtsektor steht es nicht gut.

Luftfahrt, Transformation und Politik

Der Luftfahrtsektor ist nicht nur durch die Pandemie in Bedrängnis, auch die gegenwärtige Politik der „Green Partie“ sind nicht zum Interesse der Luftfahrtindustrie. Hier zeigt sich wie schwer sich liberales Gedanken gut auf die Menschen und ihre Arbeitsplätze auswirkt.

Man ist auf keinen Fall ein Feind der grünen Zukunft aber ein geplanter Übergang, mit Mitbestimmung wäre doch wünschenswert um die Menschen in diesen Berufen nicht ihrem Schicksal zu überlassen.

Aber gerade dass passiert gerade. Die Gewerkschaften kämpfen ihnen Unterlass dafür, dass die Regierung auch den Luftfahrtsektor mit finanziellen Mitteln unterstützt und die Menschen ihre Arbeitsplätze behalten können. Von Regierungsseite kommt aber kein positives Signal, man möchte verhindern, dass publik wird das CO2- Erzeugende Unternehmen unterstützt werden. Hier verfolgt man die marktpolitische Schiene, sollten die Betriebe die Pandemie überleben ist es gut und wenn nicht ist es halt so.

Natürlich muss man sich was überlegen wie man in Zukunft mit diesen Sektoren umgeht aber diese planlos der Pandemie zu überlassen ist keine Option. Hier geht es um mehrere 100.000 Arbeitsplätze. Jeder dieser ist mit mindestens einem Schicksal verbunden. Regierung handelt ohne Plan und lässt die Menschen in Stich. Die Gewerkschaften kämpfen weiter für die Interessen der Arbeitnehmer*Innen und werden nicht aufgeben.

Düstere Zukunftsaussichten

Gewerkschaftsarbeit in der Pandemie

In der Pandemie mussten die Gewerkschaften ihre gewohnten Arbeitsweisen ändern. Die strengen Regelungen machten physisches Zusammenkünfte unmöglich. Wie auch in Österreich stieg man hier schnell auf die Üblichen Medien der digitalen Kommunikation um.

Dadurch war es möglich mehr Leute, in kürzerer Zeit, öfter zu erreichen. Ein klarer Gewinn für die Gewerkschaftsarbeit. Die digitalen Medien werden sich in Zukunft stark in die Gewerkschaftliche Arbeit integrieren und für einen besseren Austausch untereinander führen. Es wird wohl auch nach der Pandemie 2 – 3 Tage Home Office geben.

Negative Seiten gibt es aber schon.

  • Digitale Meetings funktionieren sehr gut in kleineren Gruppen, größere Gruppen sind aber schwieriger zu managen und eine Diskussion ist kaum möglich.
  • Gerade Treffen mit Geschäftsführungen, in denen es um Kündigungen geht, sind eine Qual, hier fehlt der persönliche Aspekt völlig und es entsteht das Gefühl über eine Sache und nicht über ein Person zu reden.
  • Zudem ist die Kontrolle und Einhaltung der Arbeitszeit sehr schwierig
  • Zu alle dem kommt das Home Office nicht wirklich für die breite Masse ist. Es ist eher ein Luxus. Arbeitnehmer*Innen mit nur wenig Platz, können kaum die daraus resultierenden Vorteile genießen. Wer hat schon den Platz und das Geld für einen oder mehrere Büroplätze zu Hause, und die Zeit nebenbei eventuell noch die Kinder im Home Schooling zu versorgen.
  • Es zeigt sich auch, dass es immer mehr Menschen mit psychischen Problemen gibt, die Einsamkeit und der fehlende Austausch mit Kollegen ist sehr belastend.
Home Office nur etwas für die Wenigen nicht die Vielen?

Psychische Probleme am Arbeitsplatz

Sorgen bereitet den Gewerkschaften das Ausmaß der der psychischen Erkrankungen.

Alexander nannte ein Beispiel eines Call Centers. Man erwartet ja gerade in dieser Branche, dass es egal ist ob man im Großraumbüro oder zu Hause arbeitet. Dies ist aber nicht der Fall. Auch das Jüngere besser damit zurecht kommen als die älteren Mitarbeiter*Innen ist eine Fehleinschätzung.

Es zeigt sich, dass junge Arbeitnehmer*Innen stark unter Stress, Depressionen und sozialer Isolation leiden. Gerade wenn im privaten Bereich Treffen verboten sind, sind die kurzen Treffen am Arbeitsplatz Balsam für die Seele. Hier sehen die Gewerkschaften ihre Aufgabe darin diesen Menschen eine Anlaufstelle zu bieten und beraten und unterstützend zur Seite zustehen. In den gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen wurden die Programme für diese Fälle verstärkt angeboten.

Ein großes Problem für die Zukunft wird sein auch die Nachwirkungen der Pandemie zu bekämpfen. Große Sorgen bereitet auch der massive Anstieg des Alkohol Konsums während des Lockdowns. Hier wird es sich erst im nachhinein zeigen wie groß die Schäden sind, die durch Lockdown und Pandemie an den Menschen entstanden sind.

Isolation, Stress und Alkohol sind eine gefährliche Mischung

Die Menschen die in der Pandemie vergessen wurden

Gerade im Tourismus Sektor hat sich der Lockdown fatal auf die Arbeitnehmer*Innen ausgewirkt. In Großbritannien ist es üblich das in diesen Bereichen Menschen aus dem Ausland arbeiten. Diese kommen von der ganzen Welt hierher, ziehen von einem Hotel/Gaststätte zum Nächsten. Sie arbeiten und leben am Arbeitsplatz und besuchen so die Insel. Gerade diese Menschen wurden gerade zu von der Regierung vergessen.

Durch das Schließen der Gastronomiebetriebe wurden diese von heute auf morgen arbeitslos. Ohne Geld verloren sie auch ihre Unterkunft. Da sie ständig unterwegs sind haben diese Personen kaum Freund und Bekannte haben, kamen diese Menschen auch nirgendwo unter. Ohne Job, ohne Unterkunft und ohne Geld sind diese Menschen in Schottland gestrandet und haben keine Chance ihre Lebensumstände zu verbessern.

Es sind fürchterliche Geschichten die diese Menschen zu erzählen haben. Obdachlos versuchen sie zur Zeit sich irgendwie durchzuschlagen.

„Es ist unvorstellbar. Man fühlt sich 150 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt. Die Umstände unter denen diese Menschen ihr Dasein fristen ist fürchterlich.“

Alexander Smart

Die Gewerkschaften kämpfen dafür, dass die Regierung diese Menschen unterstützt. Es ist ein unwürdiger Zustand für ein Land wie Großbritannien so etwas zu zulassen.

Arbeitslos und Obdachlos den Arbeitnehmer*Innen der Gastronomiebetreibe geht es schlecht.

Prekäre Arbeitsverhältnisse, Fachkräftemangel und BREXIT

Die Zahl der Menschen die in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, sind stark gestiegen. Durch den massiven Anstieg beim Online Shopping kam es zu einem Boom der Transport- und Lieferantenbranche. In diesem Sektor sind schlechte Arbeitsbedingungen weit verbreitet. Zeitdruck und das enormes Arbeitspensum machen den Arbeitnehmer*Innen das Leben schwer. Zeit für Pausen gibt es keine. Die Gewerkschaften sind drauf und dran diese Menschen zu organisieren um mit ihnen gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen.

Immer mehr EU- Bürger verlassen aufgrund des BREXIT Großbritannien

Die Pandemie ist nicht das einzige Problem in diesem Sektor. Ein ganz großes Thema ist auch der Fachkräftemangel. In Großbritannien ist es seit jeher üblich das LKW-Fahrer*Innen aus den östlichen Staaten Europas kommen. Die ganze Branche ist darauf ausgelegt. Es gibt sogar Ausbildungen in slawischen Sprachen. Diese Menschen wohnen oft viele Jahre in GB und bilden dort in Wohngemeinschaften ihre eigene Kommunen.

Diese Wohngemeinschaften wurden auch als Punkt für den BREXIT aufgebracht. Für die Gewerkschaft war dies völlig unverständlich. „Diese Menschen sind hier weil wir sie brauchen. Sie sind en wichtiger Bestandteil unserer Wirtschaft. Wer sonst soll die ganze Arbeit machen?“

Der BREXIT lässt nun viele diese Arbeiter zurück in die Europäische Union wandern. Menschen die bereits 10 Jahre oder länger in GB waren, haben die Insel verlassen. Nun fehlen die Erntehelfer, Pflegehelfer und LKW- Fahrer. Diese werden nicht mehr wieder kommen, da die Arbeitsbestimmungen für EU- Bürger anders sind, als für Einheimische. Hier versucht die Gewerkschaft dieses Problem aufzuzeigen und möchte eine politische Lösung für diese Sektoren erreichen.

EU- Bürger haben es schwer weiterhin in Großbritannien zu arbeiten.

Zukunftsprognosen

Für viele Bereiche stehen herausfordernde Zeiten bevor. Für manche Branchen wird es einen politischen Willen brauchen Arbeitsplätze zu erhalten oder nachhaltig zu verändern. Manche Bereiche müssen sich der Zukunft anpassen.

Die Chemische Industrie muss sich der grünen Zukunft stellen. Hier wird man verstärkt auf die Produktion kompostierbare Kunststoffe setzen. Diese Strategie wird es ermöglichen die Arbeitsplätze zu erhalten und Neue zu schaffen.

Der Weg wo es für jeden hingehen wird ist noch nicht klar, aber die Gewerkschaften werden mit den Arbeitnehmer*Innen gemeinsam unentwegt für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen.