„Europapraktikum in Portugal?“ „Das kannst du dir aufzeichnen bei den Covid-Zahlen! In Wien ist es ja auch schön!“ Wer hätte zu Beginn dieses Jahres auch damit rechnen können, dass es Portugal schafft, binnen weniger Wochen eine Covid-Inzidenz von knapp 900 auf 30 zu reduzieren? Und so sitze ich nun in meinem Apartment in Lissabon und versuche, die Eindrücke des heutigen Tages zu verarbeiten.
Dia do Trabalhador 1° de maio
Motto: „Für die Rechte kämpfen und die Ausbeutung bekämpfen.“
Maiaufmarsch auf Portugiesisch. Das bedeutet: Laut. Tausende Menschen, aber alle vorbildlich mit Abstand und Mundschutz. Sonnencreme und Palmen. Unzählige verschiedene Gewerkschaften, alle mit denselben Forderungen:
- Mehr Beschäftigung
- Bessere Löhne
- 35h-Woche
- Recht auf Kollektivverträge
- Bessere öffentliche Dienstleistungen


Martin und ich treffen Fernando Maurício, den internationalen Sekretär der CGTP-IN, dem größeren der beiden portugiesischen Gewerkschaftsbünde. Er gibt uns einen Überblick über die Gewerkschaften und die politische Lage in Portugal.
Wir sprechen über die Covid-Krise im Land, die Situation zu Beginn des Jahres, den Schock über die rasend steigenden Todesfälle. Sie wissen, dass die Lockerungen über die Weihnachts-Feiertage ein Fehler waren. Die Nachwirkungen sind erkennbar – so gut wie jede/r trägt auch auf der Straße einen Mundschutz, obwohl er gar nicht mehr verpflichtend ist.
Doch nicht in allen Regionen Portugals wurden dieses Wochenende sämtliche Beschränkungen aufgehoben. Einige Regionen im Süden haben noch zu hohe Inzidenzen und bleiben weiterhin im Lockdown. Fernando liefert uns auch den Grund dafür: Prekär beschäftigte MigrantInnen, die im Alentejo vor allem Beeren und Orangen ernten. Die hauptsächlich aus dem asiatischen Raum stammenden FeldarbeiterInnen leben teilweise eingepfercht in Baracken unter widrigsten Bedingungen. Beste Bedingungen für Corona-Cluster. Verantwortlich dafür sind meist Großkonzerne, denen Profit bekanntlich wichtiger ist, als Menschenrechte. Diese Form der modernen Sklaverei zu bekämpfen, ist nur eine von vielen Aufgaben der portugiesischen Gewerkschaften.
In diesem Sinne: A luta continua! Der Kampf geht weiter!
Wusstet ihr, dass…
…der Gewerkschaftsbund CGTP-IN 10 Mal im Jahr eine 10-minütige Sendezeit direkt vor den Hauptabendnachrichten im portugiesischen Fernsehen hat? Die GenossInnen nutzen diese Zeit individuell für aktuelle Themen und natürlich auch, um den Dia do Trabalhador zu bewerben.
Wir sind uns einig – das brauchen wir auch in Österreich!
Links
Eindrücke vom Maiaufmarsch in Lissabon gibt’s hier oder auf der Facebook-Seite der CGTP-IN.