Wenn sich die Regierungschefs der EU-Staaten zu einem Sozialgipfel in Porto treffen, dann wird vonseiten der Gewerkschaften fleißig mobilisiert. Kurzerhand wurde ein kompletter Zug gebucht, um rund 600 KameradInnen aus Lissabon in den Norden zu bringen. Eine groß angelegte Demo soll die Konferenz-TeilnehmerInnen daran erinnern, dass sie nicht nur des schönen Wetters wegen in Porto sind.
Social Summit & die europäische Säule sozialer Rechte
Als Ergebnis des Sozialgipfels wird eine gemeinsame Erklärung der EU-Staaten erwartet, die auf der im November 2017 konstruierten Säule sozialer Rechte aufbaut. Diese Säule enthält 20 Grundsätze wie Chancengleichheit, gerechte Entlohnung, besserer Arbeitsschutz, Mindesteinkünfte, usw. Davon abgeleitet gibt es 3 zentrale Ziele, die bis 2030 umgesetzt werden sollen:
- mindestens 78% der Bevölkerung zwischen 20 und 64 Jahren soll Arbeit haben (5% mehr als 2019)
- jährlich sollen mindestens 60% der Erwachsenen an Fortbildungen teilnehmen (bislang unter 40%)
- die Anzahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohter Menschen soll um mindestens 15 Millionen sinken (von 91 Millionen im Jahr 2019)
Not so fun fact 1:
Der Grundsatz Geschlechtergleichheit wurde auf Geheiß von Ungarn und Polen in der Erklärung umformuliert. Er könnte nämlich fälschlicherweise mit LGBTQ-Gleichheit (lesbian, gay, bisexual, transgender, queer) in Verbindung gebracht werden. Das sei für Staaten wie diese, zumindest für deren Machthaber, unvereinbar mit deren christlichen Werten.
Not so fun fact 2:
Zu einem Sozialgipfel reist im Normalfall der/die Sozialminister/in an. Österreich ist anders! Wir werden vertreten von Bundeskanzler und Arbeitsminister. Letzterer ist bekannt für seine vehemente Weigerung, das Arbeitslosengeld zu erhöhen – damit könnte ja drohender Armut entgegen gewirkt werden. Auch vom Mindestlohn hält er gar nichts – könnte ja die Abwanderung von Unternehmen in den Osten verhindern.
Zurück zum Thema. Wie verbindlich die „Erklärung von Porto“ sein wird, zeigt sich schon anhand dessen, dass bereits 11 EU-Staaten verlautbart haben, die EU möge sich so weit wie möglich aus der nationalen Sozialpolitik heraushalten. Staaten mit geringem Einkommen wie Bulgarien bangen um ihren Wettbewerbsvorteil, Staaten mit höheren Einkommen wie Österreich und Dänemark fürchten, dass ihre hohen Standards gedrückt werden könnten.
Sei es drum, man* hat sich mal wieder persönlich getroffen, ein paar Corona-Handshakes erledigt, vor den Kameras posiert und die portugiesische Sonne genossen.
Programm in Porto
Freitag, 7.5.: Konferenz der Sozialpartner
Samstag, 8.5.: Tagung der Staats- und Regierungschefs + Demo

Lutar pelos direitos! Für die Rechte kämpfen!
„Die Zukunft der Arbeit und die Entwicklung unseres Landes darf keine Rückkehr in die Vergangenheit der Ausbeutung und Verarmung beinhalten.“
Eine Politik der Zusammenarbeit mit allen Ländern, insbesondere in Europa, die auf Gleichheit und Achtung ihrer Souveränität beruht. Die Demo richtet sich vor allem an die nationalen Zuständigkeiten und zeigt die Probleme im Land auf, die gerade durch die Pandemie verschärft wurden.
Konkrete Forderungen der Gewerkschaften:
- Wirksame Gesundheitsschutzmaßnahmen
- Unterstützung für die wirtschaftliche und soziale Erholung und Entwicklung des Landes
- Allgemeine Erhöhung der Einkommen
- Erhöhung des nationalen Mindestlohns auf 850 Euro (von 665 Euro)
- Ablehnung von prekären Arbeitsformen
- Verbesserung der Arbeitsbedingungen
- Bessere Bewertung öffentlicher Dienstleistungen, insbesondere Gesundheit und Bildung
- Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden (von 40 Stunden)
- Schaffung von Arbeitsplätzen
- Nationale Produktion
Die KoordinatorInnen der portugiesischen Gewerkschaften nutzen den Gipfel auch, um ihr eigenes jährliches Meeting abzuhalten. Jedes Jahr fokussieren sie sich auf ein bestimmtes Thema. Diesmal beraten sie sich über die Mitgliedergewinnung, vor allem in Bereichen, die schlecht organisiert sind, aber großes Potential hätten.
